Jörg Niethammer (SEO-Experte)

Jörg Niethammer
SEO-Experte & Blogger

Beitrag von Jörg Niethammer zum Thema Search Intent

Dass die CAMPIXX 2023 meine erste CAMPIXX war, ist schon fast skandalös und ich bereue im Nachhinein zutiefst, dass ich nicht schon früher dort war. Umso schöner war es, dass ich gleich bei meiner ersten Teilnahme Speaker sein durfte und über das Thema „Search Intent: Live-Berichterstattung aus dem Hansgrohe Situation Room“ referieren durfte. Alles dazu findest Du in diesem Artikel.

⚠️ Das Wichtigste in Kürze

  • Vergiss Search Intents wie Informational, Navigational und Co.
  • Es gibt nicht nur schwarz und weiß
  • Suchvolumen ist nicht alles, auf den Search Intent kommt’s an
  • Google ist das Tool für Search Intent und kein anderes

Search Intent

Unter dem Search Intent bzw. der Suchintention versteht man das Bedürfnis von Suchenden nach einem konkreten Ergebnis zur Suchanfrage. Das heißt, schon bevor Du eine Suche auslöst, hast Du eine Vorstellung, was du als Ergebnis bekommen möchtest.

Bisherige Search Intents

Es gab bzw. da sie immer noch verwendet werden, es gibt drei bis vier klassische Search Intents:

  • Informational
  • Navigational
  • Transactional
  • Commercial

Man muss dazu sagen, dass Transactional und Commercial häufig nicht voneinander getrennt werden. Die Aufspaltung in Transaction und Commercial ist bereits eine granularere Betrachtung als nur Transactional.

Bisherige Search Intents: Informational, Navigational, Transactional & Commercial

Neue Search Intents

In den Search Quality Evaluator Guidelines von Google gibt es unter dem Punkt „Understanding User Intent“ allerdings neue Definitionen des Search Intent.

So wurden aus

  • Informational → Know und Know Simple

  • Navigational → Website

  • Transactional → Do und Visit in Person

  • Commercial → Do und Visit in Person

Fazit der Search-Intent-Theorie

Für mich ist das alles reine Theorie, die mit der Realität nur bedingt was zu tun hat. Zwar kann man jedes Keyword einem Search Intent zuordnen, allerdings muss diese nicht zu 100% erfüllt sein. Es gibt durchaus Begriffe, die mehrere der Theorie-Search-Intents erfüllen. Des Weiteren gibt es Keywords, die unterschiedliche Bedeutungen haben, jedoch die Bedeutung in ein und demselben Search Intent wiederzufinden ist.

Von daher ist diese ganze Theorie nice-to-know, im Alltag jedoch kaum effektiv anwendbar.

Search-Intent-Beispiele

Zur Veranschaulichung der Thematik habe ich in den letzten Jahren einige gute Beispiele sammeln können.

Beispiel 1: Wettbewerbsanalyse

Einen Klassiker, den jeder SEO kennt, gibt’s gleich zu Beginn: Fehlender Realitätsbezug zu Keywords, Suchintention und damit SEO.

Das Unternehmen eines Kunden erstellte professionelle Markt- und Wettbewerbsanalysen für Unternehmen. Diese waren so umfangreich, dass es keine Pauschalangebote gab und klassiche Einsteigermodelle bei einem Kostenrahmen von 50.000 Euro begonnen haben. Dennoch wollte dieser Kunde für das Keywords „wettbewerbsanalyse“ gut, im Idealfall auf Position 1 ranken.

Schaut man sich die Google-SERP an, sieht man direkt, dass alle Ergebnisse in den Top 10 Do-it-yourself-Erklärungen sind. Also Erklärungen, was eine Wettbewerbsanalyse ist, welche Bestandteile darin vorkommen und wie man diese selbst durchführt.

Google-SERP zum Begriff "wettbewerbsanalyse"

Wie kann man also dafür eventuell ranken?

  • Wir brauchen DIY-Content, der sich vom bestehenden Angebot abhebt

  • Wir brauchen ein gutes Content-Marketing

  • Offpage sollte ebenfalls nicht vernachlässigt werden

Doch selbst wenn das alles umgesetzt werden würde, ist es fraglich, ob daraus wirklich ein Top-10-Ranking entstehen kann. Aber bleiben wir optimistisch.

Die nächste Frage, die sich stellt: Passt der Search Intent überhaupt? Und das kann man ganz klar verneinen, denn das Ziel der Seite soll ja sein, ein Produkt bzw. eine Dienstleistung auf einer SERP zu platzieren, auf der die Zielgruppe überhaupt nicht unterwegs ist. Denn es geht auf SERP um DIY-Content, um Startups, um Gründer.

Beispiel 2: Küchenspüle

Mit dem zweiten Beispiel wird mein eingangs beschriebener Aspekt deutlich. Für das Keyword „küchenspüle“ ist der Search Intent relativ eindeutig. Die Suchenden wollen Produkte und Produktvarianten sehen. Teilweise auch Inspiration erhalten, aber stets mit starkem Produktfokus. Das konnten wir bei Hansgrohe anbieten. Unsere Seite war in vielen Bereichen deutlich besser als die der SERP-Konkurrenz (z. B. bessere Core Web Vitals, bessere interne Verlinkung, bessere Offpage-Signale).

Allerdings waren allein die reine Content-Optimierung der beispielhaft genannten Bereiche nicht erfolgreich. Hier waren Websites im Vorteil, die quantitativ am meisten geboten haben. Und ich rede nicht von irgendwelchen Textwüsten, sondern von der Anzahl an für die User zu vergleichenden Produkte.

Vergleich von Küchenspülen-Websites zur Bestimmgung des Search Intent

Es zeigt sich also, die Erkenntnis, dass wir und die Konkurrenz denselben Search Intent abdecken, bringt uns überhaupt nichts. Das konnte ich auch mit keinem SEO-Tool herausfinden. Das lieferte mir die Google-SERP.

Beispiel 3: Thermostate

An vielen Duschen gibt es sog. Thermostate. Mit einem Thermostat kann die Wassermenge und die Temperatur eingestellt, teilweise auch zwischen den Brausen gewählt werden. Die verschiedenen SEO-Tools zeigen recht deutliche monatliche Suchvolumina:

Suchvolumen zum Thema Thermostate zur Bestimmung des Search Intent

Die Vermutung liegt nahe, dass „thermostat“ das Hauptkeyword sein wird. Die anderen ggf. ergänzende Keywords. Eine Befragung der Google-SERP lässt jedoch den Search Intent recht eindeutig werden. Die Befragung der Google-Image-SERP ist sogar noch eindrücklicher:

Anderer Search Intent bei Thermostaten auf der Google-Image-SERP

Vom Suchbegriff „thermostat“ wird offensichtlich etwas anderes erwartet. Der Search Intent, wenn man nach den Definitionen von Google geht, ist m. E. identisch zwischen den beiden Produkten. Die Produkte sind jedoch gänzlich unterschiedlich. Das bedeutet, dass eine Content-Optimierung der Hansgrohe-Seiten mit Duschbezug auf das Keyword „thermostat“ keine relevanten Rankings bringen wird. Und selbst wenn, dann wäre die Zielgruppe die falsche und potentieller Traffic hätte keinen Mehrwert.

Beispiel 4: Jocolino

Das vierte Beispiel behandelt eine für Kinder entwickelte Handbrause namens Jocolino. Diese gibt es in drei verschiedenen Designs: als Krokodil, als Zebra und als Löwe. Intern wurde häufig von „kinderhandbrause“ gesprochen.

Schauen wir uns die Suchvolumina der in Frage kommenden Begriffe genauer an:

Suchvolumen für Kinderduschen in Deutschland

Die Begrifflichkeiten im Deutschen passen ganz gut zu denen, die wir uns überlegt haben. Welches man dann genau nimmt, hängt natürlich auch mit der im Marketing kommunizierten Wordings ab. Wobei ich als SEO hier direkt einhaken muss: Ein Wording muss unter Berücksichtigung von SEO bereits im Produktentstehungsprozess festgelegt werden. Am besten so früh, dass sich jeder Projektbeteiligte direkt daran gewöhnen kann. Ein Paradebeispiel dazu folgt noch unter Beispiel 5.

Doch davor schauen wir uns noch die Begriffe im Englischen an:

Suchvolumen für Babyshower im Englischen

Wow, mega, das ist unser Keyword: „babyshower“. Da ist ja richtig Nachfrage im Markt. Oder?

Bei solchen Werten müssen direkt alle Alarmglocken angehen. Und das zu Recht, wie Du gleich sehen wirst. Denn unter „babyshower“ versteht man etwas völlig anderes, als unser Produkt bezwecken möchte. Und damit ist der Search Intent erneut völlig verfehlt.

Auszug aus der Wikipedia:

„Die Babyparty ist eine ursprünglich US-amerikanische Tradition und wird dort Baby shower genannt, findet aber auch in Mitteleuropa eine größer werdende Verbreitung. Zu der etwa zwei Monate vor dem errechneten Geburtstermin stattfindenden Feier werden meist nur weibliche Gäste eingeladen, wie die Freundinnen und weiblichen Verwandten der werdenden Eltern.“

Es geht hier also erneut um etwas völlig anderes. Eine Optimierung auf dieses Keywords würde keinen Sinn ergeben. Erneut hätte man keinerlei Chancen zu ranken und selbst wenn, würde man den Search Intent krachend verfehlen. Oder? Vermutlich ja. Allerdings würde der kreative SEO jetzt auf eine Idee kommen: Man könnte ja einen Artikel über Babypartys schreiben und passende, anlassbezogene Geschenkideen nennen. Vielleicht wäre die Jocolino ja ein adäquates Geschenk 😉

Beispiel 5: Küchenarmatur

Und nun das letzte und bereits erwähnte Beispiel zum Thema „küchenarmaturen“. In der Branche hat sich der Begriff „Mischer“ als Bezeichnung für eine Armatur gefestigt. Du fragst Dich jetzt warum ausgerechnet Mischer? Das ist relativ einfach: In einer modernen Armatur werden kaltes und warmes Wasser miteinander gemischt. Im B2B-Umfeld ist diese Begriff durchaus geläufig, Küchenarmaturen heißen sogar häufig „Mischbatterie“.

Es lag als nahe, dass man Küchenarmaturen als „Küchenmischer“ bezeichnet hat. Geht man zur Google-Image-SERP für diesen Begriff, fällt direkt eines auf: Hansgrohe ist überdurchschnittlich oft vertreten. Super, dann kann ich als SEO ja beruhigt ins Wochenende gehen. Oder?

Google-Image-SERP zum Keyword "küchenmischer"

Nein, natürlich nicht. Denn es ist sehr verdächtig, wenn ein Anbieter als einziger für einen Begriff rankt. Und genau das ist in diesem Fall der Fall: Niemand der am Markt teilnehmenden Wettbewerber nennt seine Küchenarmaturen Küchenmischer. Der Grund ist relativ klar: Danach suchen nicht viele.

Ganz spannend wird es dann im Englischen: Der Begriff „küchenmischer“ wurde relativ frei in „kitchen mixer“ übersetzt. Beim CAMPIXX-Vortrag ging hier ein Raunen mit anschließendem Lachen durch den Saal. Denn was jetzt kommt, dürfte klar sein:

Google-Image-SERP zum Keyword "kitchen mixer"

Search Intent deutlich verfehlt. Da gibt es wohl keine zwei Meinungen.

Deshalb ist höchste Vorsicht mit internen Begrifflichkeiten geboten. Und, wie eben schon erwähnt, ist es ratsam, dass man schon im allerersten Meeting zu einem potentiellen Neuprodukt, das Naming der Produktkategorie angeht. Glück im Unglück: solche Beispiele sind sehr gut verständlich, um das Thema Search Intent auch SEO-fremden Kollegen aufzuzeigen. Du musst die Sprache Deiner Kunden sprechen und nicht die, die man intern gerne hätte. Oder Du musst ein Produkt haben, dass zum Synonym für eine Produktkategorie wird wie z. B. Tempo, Zewa, Uhu und Co.

An dieser Stelle sei auch gesagt, dass dies keinerlei Kritik an handelnden Personen darstellen soll. In jedem Unternehmen gibt es solche Beispiel. Mal sind sie mal mehr mal weniger plakativ und eindeutig.

Beispiel 6: Wärmepumpe

Im Rahmen des SEO-Contests 2023 des SEO-DAY habe ich Analysen zum Thema Wärmepumpen durchgeführt. Dabei wurde unter anderen deutlich, dass das Thema nicht ausschließlich für Hersteller und Vertriebsplattformen relevant ist. Vor allem Seiten mit ausführlichen Erklärungen sind sehr häufig vertreten. Alle Details erfährst Du auf der verlinkten Seite:

Search Intent verändert sich

Zum einen verändert sich der Search Intent durch geändertes User-Verhalten. Ganz extrem war sicher das Keyword „corona“. Vor dem Jahr 2020 dürfte die gleichnamige Biermarke relativ wenig Probleme gehabt haben, hier auf Position 1 zu ranken. Seither findet man die Biermarke unter dem generischen Suchbegriff „corona“ nicht mal mehr auf der ersten Seite der SERP.

Zum anderen wird auch Google besser. Denn auch Google lernt immer mehr, Search Intent richtig zu deuten und die Suchergebnisse entsprechend an die Bedürfnisse anzupassen. Bei Hansgrohe haben wir viele Jahre mit einer relativ unscheinbaren Seite für „badezimmer“ in den Top 10 gerankt. Mit einigen Updates ging dieses Ranking verloren.

Als SEO war ich auch davon überzeugt, dass „badezimmer“ viel zu allgemein für unsere Produkte ist und wir den Verlust verkraften können. Tatsächlich waren die qualitativen Metriken der bisher rankenden Seite überschaubar. Also weg damit.

Seit 2021 rankten wir jedoch wieder zu diese Keyword. Allerdings nicht mehr mit der Kategorie-Seite, sondern mit einer inspirativen Seite. Auf dieser Seite gibt es ein Bad-Inspirator-Tool und zahlreiche sog. Traumbäder. Das ist Content, der viel mit Bildern arbeitet und einfach inspirieren soll.

Rankings durch veränderten Search Intent für den Begriff "badezimmer"

Mit dem Ranking haben sich natürlich auch der organische Traffic und die allgemeinen Seitenaufrufe deutlich gesteigert.

Die User möchten also Inspiration und keine Produkte, wenn sie nach „badezimmer“ suchen. Diese These habe ich stets unterstützt und mir war klar, dass wir mit der ursprünglichen Seite keine Chance (mehr) haben werden. Ein tolles Zeichen auch von Google, dass hier endlich die richtigen Ergebnisse zum Wohle der User-Interessen erscheinen.

Merk’s dir

  • Suchvolumen ist nicht alles

  • Betrachte den Einzelfall und nicht nur die Theorie

  • Nutze Google wie Deine User

  • Monitore Deine Keywords

  • Hinterfrage den Search Intent Deiner Keywords

  • Sei da, wo Du Deine Zielgruppe bedienen kannst

Wie Du das verankern kannst

Die Analyse des Search Intents muss ein fester Bestandteil in der Produktentstehung und im Produktmanagement sein. Schule und sensibilisiere deine Kolleginnen und Kollegen mit plakativen Beispielen.

Dies ist einfacher, wenn ein gesamtunternehmerischer Ansatz verfolgt wird, in dem SEO-Techniken integriert sind. Allerdings nicht reduziert auf SEO als Einzeldisziplin. Neues Produkt heißt, Du musst schauen, wie Deine Zielgruppe dieses Produkt nennt.

Fazit

Wenn Du den Search Intent verstehst und jedes Mal individuell prüfst, bist Du weiter als ein Großteil Deiner SERP-Konkurrenz. Wenn Du es dann noch schaffst, dies in Deinem Unternehmen zu verankern, dann wirst Du auch dauerhaft erfolgreich sein können. Search Intent ist ein fester Bestandteil einer guten Search und User Experience.

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